Piemont fast ohne Trüffel
Wenn man aus kulinarischen Gründen ins Piemont - das angeblich größte Feinschmeckerparadies Italiens - reist, tut man dies meistens wegen der berühmten weißen Trüffel oder zumindest wegen der sehr bekannten roten Weine. Schon etwas weniger Besucher kommen auch wegen der Haselnüsse und der feinen Schokolade oder wegen des piemontesischen Käses und Grappas. Und noch weniger, aber immer noch viele, kommen auch wegen der Slow-Food-Bewegung.
Bei der jährlichen Reise einer Weinrunde wie der unsrigen war der Reisegrund von vornherein klar, noch dazu wo im Juni wirklich noch nicht Trüffelsaison ist. Zum dritten Mal hintereinander - nach Friaul-Julisch Venetien im Vorjahr und Südtirol vor zwei Jahren - war das Reiseziel unserer kleinen Weinrunde Italien. Bekannterweise zählt ja das Piemont zu den besten Weinbaugebieten der Welt. Aus den Rebsorten Nebbiolo (Barolo und Barbaresco), Barbera (DOC aus Alba, Asti und Monferrato) werden edle Rotweine, aus Dolcetto und Grignolino eher einfachere Tischweine gekeltert. Dazu kommt noch die eine oder andere Weißweintraube wie z.B. Arneis, Moscato oder Favorita, und die bestens bekannte Schaumweine aus Asti (Moscato d´Asti, Spumante). Unser Trip dauerte - inklusive An- und Rückreise - insgesamt 5 Tage und von denen möchte ich einiges erzählen.
Der 1. Tag
Nachdem sich ältere Herren die Anreise gerne etwas bequemer machen, war das Reiseziel am Anreisetag Saló am Gardasee. Dies allerdings erst nach einer gemütlichen Mittagsrast im Sterzing, die eigentlich schon am Achensee geplant war. Aber wir waren gut und schnell vorangekommen. Bei herrlichem Sonnenschein spazierten wir durch die autofreie Altstadt und ließen uns schließlich im Restaurant Goldenes Kreuz nieder. Unsere Bestellung spiegelte noch die Umstellungsphase wider, ging sie doch von der Tiroler Speckplatte bis zu den klassischen Spagetti mit ragù a la bolognese. Mein Freund Jakob und ich wählten das Tiroler Tris, ein Trio aus Spinatknödeln, Kaspressknödeln und Schlutzkrapfen.
So gestärkt war die Weiterfahrt - bis auf das immer schlechter werdende Wetter - ein einfaches Unterfangen. Am Gardasee angekommen, war das an sich reizende und direkt am See gelegene Hotel Duomo trotz Navi etwas schwierig zu finden. Außerdem verfügte es über keinen eigenen Parkplatz, was zusätzliche Umstände mit sich brachte.
Nach dem Einchecken und einer kleine Rast folgte dann ein nach dem vielen Sitzen wohltuender Fußmarsch durch die halbe Stadt ins Hotel Bellerive. Im dortigen Restaurant 100km – ebenfalls direkt am See gelegen – mussten wir aufgrund des Regens leider mit einem Tisch im Inneren vorliebnehmen. Das Restaurant ließ hinsichtlich Ambiente, Service und Speisekarte kaum Wünsche offen. Darauf fanden sich feine Vorspeisen wie Beef Tartare, Salat vom weißen Spargel mit Garnelen oder Auberginenauflauf mit Kirschtomaten und Mozzarella. Als Primi dann natürlich die verschiedenste Arten von Pasta, aber auch Erbsensuppe. Und als Secondi waren die Fische aus dem See ebenso prominent vertreten wie Rinderfilet, Entenbrust, Kalbsmedaillons und sogar Spanferkel. Die Dessertkarte war eher wieder klassisch, es waren Tiramisù, Panna cotta, Crème brulèe, Eis und frisches Obst darauf zu finden. Meine Wahl fiel auf Tempura vom Garda Seefisch mit Gemüse, Sojasauce und Zitronen-Mayonnaise und dann auf ein Rumpsteak in Balsamico-Essig mit Butterspinat. Auch für ein kleines Sorbet hat es noch gereicht. Meine Freunde schwelgten in Pasta, Heli zB in Fettucine mit Calamar. Und wir probierten auch einen lokalen Wein, nämlich zwei Flaschen vom köstlich-frischen Lugano.
Der 2. Tag
Am nächsten Tag wachten wir bei herrlichem Wetter auf, was nicht nur unser Frühstück, sondern auch unsere Weiterfahrt nach Neive sehr beflügelte. Dort erwartete uns unser Mittags-Restaurant Borgo Vecchio mit herrlichem Wetter, einem Traum-Panorama und einem delikaten Lunch. Leider waren wir nach dem reichlichen Frühstücksbuffet noch nicht in der Lage, so richtig zuzuschlagen. Unsere Auswahl beschränkte sich - abgesehen vom sehr originellen Gruß aus der Küche - daher auf einen Gang. Dabei entdeckten wir die mit 30 Dottern handgemachten, langen Nudeln (Tajarin) mit verschiedenen Saucen und Fleisch vom piemontesischen Fassone-Kalb auf drei Arten zubereitet. Und wir haben unseren ersten lokalen Wein probiert: Einen weißen, frischen Roero Arneis.
Über die Weiterfahrt nach Alba und das Beziehen unserer Zimmer im mir bereits sehr vertrauten Hotel I Castelli gibt es nichts Besonderes zu berichten. Leider auch nicht von unserer ersten Weinverkostung im Weingut von G.D. Varja in Vergne/Barolo. Die Führung durch unseren Guide Sofia war kurz und eher oberflächlich, fast ebenso die Verkostung. Die Weine zählen nach wie vor zu den Spitzenqualitäten, insbesondere der Dolcetto und der Barbera. Die Preise dafür sind allerdings spürbar angestiegen. Das Weingut ist inzwischen auf beträchtliche 60 ha Rebfläche angewachsen, bei meinem ersten Besuch vor einigen Jahren waren es noch weniger als die Hälfte. Erwähnenswert sind der „Riesling Pètracine" Langhe DOC 2013 - sogar ein DOC - der aber nicht ganz unserer Vorstellung von einem Riesling entspricht, und der „Kyè" Langhe Freisa DOC. Neu ist der fruchtige Sommer-Rosé „Rosabello Rosato“, der jetzt bei mir zuhause auf die richtige Gelegenheit zum Servieren wartet. Und nicht umhin gekommen bin ich, den Moscato d´Asti zu kosten und natürlich mitzunehmen. Wir trinken ihn gerne zu einem Dessert wie z.B. zu Eis oder Eispalatschinken. In Italien ist er der Begleiter zum weihnachtlichen Panettone.
Der Rest des Nachmittags reichte noch für einen kurzen Trip nach Barbaresco. Allerdings fehlte uns der Gusto für eine weitere Weinverkostung. So beschränkten wir uns auf eine kleine Erfrischung im Café, bevor es zurück nach Alba ging. Allerdings nicht ohne vorher einen kurzen Blick in die kleine Vinothek zu werfen, die originellerweise in einer ehemaligen kleinen Kirche untergebracht ist.
Der anstrengende Tag wurde mit einem Spaziergang durch Alba und einem Abendessen im Restaurant Ugo Gastronomia, das in der Via Alfieri etwas abseits des Mainstreams liegt, abgeschlossen. Das Besondere an diesem Lokal ist ein langes, nicht enden wollendes Vorspeisenbuffet, an dem schließlich auch alle meine Kollegen hängen geblieben sind. Nur ich habe es über die panierten und frisch frittierten Steinpilze (funghi fritte) und Zucchini-Blüten (Fiori di Zucca fritta) noch zu einem Kaninchen in Weißwein (Cosciotto di coniglio all´Arneis) geschafft. Und dazu haben wir zur Abwechslung erstmals einen Favorita verkostet, auch nicht schlecht!
Der 3.Tag
Der dritte Tag war der Samstag, und da war am Vormittag unser Kulturprogramm angesagt. Nach dem Frühstück ging es zunächst nach Asti, wo bereits unserer Stadtführerin Maria Chiara auf uns wartete. Wie fast überall in Italien am Samstag herrschte in der halben Stadt buntes Markttreiben. Unser Treffpunkt war auch auf der Piazza Libertá, direkt vor der Markthalle. Ein idealer Ausgangspunkt für einen kurzen Rundgang durch die Innenstadt und vor allem zur gotischen Kathedrale mit dem romanischen Glockenturm. Dann ging es zurück nach Alba und noch vor dem Mittagessen zeigte uns unsere Stadtführerin (die übrigens aus Turin kam) die wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Die Führung endete – wie sollte es auch anders sein - in der Osteria Era Nuova, wo wir ein kleines, aber sehr gutes Mittagessen einnahmen. Kleine Karte, typische Gerichte, viele Einheimische und wenig Touristen im Lokal. Diesmal musste es für mich einfach ein Beef Tartare vom Fassone-Rind (tartare di carne cruda) sein, für meinen Freund Heli Trüffeln mit Ei (l'uovo è pronto), für Richard ein Gemüseflan und für Jakob die handgemachten, gefüllten Ravioli (ravioli del plin). Dazu ausnahmsweise ein Weißwein nicht aus der Region, sondern ein Greco di Tufo aus Kalabrien.
Der Nachmittag stand wieder ganz im Zeichen einer Weinverkostung. Wir besuchten den Winzer Valeria Mossio, den wir letztes Jahr bei einem piemontesischen Abend und bei der Ausstellung “Wein und Kunst” in Linz kennen gelernt hatten. Der Empfang auf seinem Weingut in Rodello war herzlich und die Besichtigung des gesamten Betriebes – von den Weingärten bis zu den Kellern – höchst interessant. Höhepunkt war zweifellos die Verkostung mit dem Schwerpunkt Rotwein. Von zwei Dolcettos über den Langhe Rosso (eine lang lagerbare Cuvée aus Nebbiolo, Barbera und Dolcetto) und den Nebbiolo zum Gamus (Barbera aus einem Weingarten mit römischen Ausgrabungen). Für mich als Draufgabe noch den “Le Margherite”, ein süßer Wein aus getrockneten Trauben, gewidmet den Frauen im Betrieb. Aufgrund seiner moderaten Preise haben wir hier deutlich mehr eingekauft wie bei G.D. Varja. Und wir werden unseren Freund Valeria heuer nochmals treffen, denn er kommt mit seinen Weinen im Herbst wieder nach Linz.
Die Zeit bis zum Abendessen reichte gerade noch für einen Blitzbesuch in der Stadt Bra, dem Ausgangspunkt der international bekannten Slow-Food-Bewegung. Ein Kaffee bzw. ein Bierchen in Ehren, dann ging es zurück nach Alba und zum Dinner wieder in die Altstadt. An der Reihe war die Osteria dell Arco direkt auf der Piazza Savonna. Diesmal waren wir nur zu dritt, Freund Jakob hatte w.o. gegeben. Das Lokal war gesteckt voll, und der Abend war ziemlich heiß. Dennoch war der Service flink und das Essen gut, aber auch nicht mehr. Wir wählten Prosciutto di maiale cotto da noi, focaccia e salsa al basilico (gekochter Schinken mit Focaccia und Basilikumsauce), Coniglio "Grigio di Carmagnola" cotto all'Arneis (Kaninchen in Weißwein) und gegrillte Calamari und Zucchini. Und dazu ausnahmsweise eine Flasche Pinot bianco aus dem Friaul.
Der 4. Tag
Dieser Tag war zwar ein Sonntag, aber bei weitem kein Ruhetag. Am Vormittag stand die Erkundung des berühmten Ortes Barolo auf dem Programm. Zunächst die Enoteca in der Burg, dann das Korkenzieher-Museum und schließlich eine Kellerführung mit kleiner Weinverkostung beim Marchese di Barolo. In der Enoteca herrschte zumindest für italienische Verhältnisse rege Betriebsamkeit, es wurde eine allgemeine Weinverkostung vorbereitet. Schon viel ruhiger war es im kleinen aber sehr netten Korkenziehermuseum. Der Höhepunkt des Vormittags war aber zweifellos die Kellerführung beim Marchese di Barolo, die von unserem Guide Silvia mit großem Engagement und in tadellosem Deutsch durchgeführt wurde. Neben der langen Geschichte des Hauses wurde auch auf die Lagen und die Weine eingegangen. Ein Highlight waren zweifellos die verschiedenen Keller und Lagerräume. Jetzt wurden endlich auch die beiden noch in unserer Sammlung fehlenden Weine verkostet, nämlich der Barolo und der Bararesco. Und eingekauft haben wir auch, wenn auch nur wenig.
Für das Mittagessen ging es einen Katzensprung weiter nach La Morra in die Osteria More e Macine. Wir hatten einen sehr schönen Platz auf der Terrasse des Lokals, aber leider war es ziemlich voll und das Service daher nicht optimal. Ein Teil unserer Bestellung wurde schlicht und einfach vergessen, was uns viel Zeit kostete und großen Ärger verursachte. Schade, denn das Essen war gut und originelle, z.B. die Sardellen mit Pesto (Acciughe con pesto) und auch das Risotto mit Spargel (risotto con asparagi).
Der Nachmittag war etwas gemütlicher geplant, als er dann wirklich ausgefallen ist. Das lag einerseits am Wetter (es war extrem warm), andererseits an der mühevollen Anreise nach Cortemilia. Dieser kleine Ort in der Langhe ist zwar nur schwache 30 km von La Morra entfernt, aber nur über eine sehr bergige und kurvenreiche Straße zu erreichen. Auf dem Programm stand dort der Besuch von zwei Familienbetrieben, zunächst einer Haselnuss-Farm und dann einer Grappa-Destillerie.
Auf der Aziena Agricola Baberis Bruno erwartete uns bereits die gesamte Familie samt den beiden Hunden. Stefano und Christina führten uns durch den Betrieb und erzählten uns Geschichte und Rahmenbedingungen des Haselnussanbaus im Piemont. Für eine tadellose, englische Übersetzung sorgte Claire aus Neuseeland, die zurzeit auf dem Gut wohnt und arbeitet. Nach der Erläuterung der Ernte- und Röstprozesse durften wir die köstlichen Nüsse auch verkosten. Und als Draufgabe hatte Christina noch kleine Haselnusstörtchen gebacken, die wir mit einem Schluck Moscato d´Asti hinunterspülen konnten. Ein sehr interessanter Besuch, geprägt von ausgesprochener Freundlichkeit und Gastfreundschaft. Auf eine Besichtigung des zweiten Standbeines des Betriebes - den Weinanbau - wurde verzichtet, wir waren schon ein bisschen müde und außerdem in Zeitnot. Schließlich mussten wir vor der kurvenreichen Rückfahrt nach Alba noch in eine „Schnapsbrennerei“.
So schauten wir noch kurz in der Distilleria Castelli vorbei, wo uns die temperamentvolle Giulia schon erwartete. Sie erklärte uns ihre Brennanlage, den Ablauf von der Traubenanlieferung bis zur Flaschenabfüllung und von ihren Kämpfen mit der Finanz. Ihre Tochter übersetzte. Da wir dann doch noch den einen oder anderen Grappa verkosteten – und dazu auch einen guten, starken Espresso serviert bekamen, übernahm an meiner Stelle Helmut die Rückfahrt. Ich trinke halt eben gerne ein gutes Schnäpschen, und die Grappe waren wirklich sehr fein.
Der letzte Abend in Alba führte uns in die Osteria di Vicoletto, auch etwas abseits von der eigentlichen Fußgängerzone. Der Abend war lau, und so bekamen wir einen netten Tisch im kleinen Gastagarten und eine noch nettere Bedienung. Unsere Bestellung unterschied sich nicht wesentlich von den bisherigen Mahlzeiten. Wieder waren es die langen feinen Nudeln, mit der Hand mit 40 Eidottern gemachte Tajarin mit einem Ragout aus Salsicce oder Ravioli gefüllt mit Seirass-Käse aus Alpenbutter und Salbei. Es gab aber auch köstliche Lammracks und aufregende Dolce. Ein ruhiger und schöner Abschiedsabend.
Der 5. Tag
Über den Rückreisetag – das war der Montag - gibt es nichts Besonderes zu berichten, außer dass wir die gut 830 km mit der einen oder anderen Pause an einer Autobahnraststätte ohne problemlos bewältigen konnten. Das Verkehrsaufkommen war moderat, und wir hatten keine Staus oder Wartezeiten, auch nicht an den Mautstellen oder an der deutsch-österreichischen Grenze. So haben wir die Fahrt in etwa 10 Stunden geschafft, wobei wir einmal den Fahrer gewechselt haben.
Vielleicht abschließend noch ein Kommentar zum Hotel I Castelli. Es gibt sicher noblere und romantischere Hotels mit mehr Charme in Alba. Aber es gibt kaum eines, das sowohl mit dem Auto aus allen Richtungen sehr gut erreichbar ist. Und von dem man zu Fuß in wenigen Minuten in der Altstadt von Alba ist, während man sein Auto gleich gegenüber vom Hotel problemlos parken kann. Der Service und das Frühstücksbuffet sind gut, man spricht Englisch und meistens sogar Deutsch. Das Preis-Leistungsverhältnis ist somit bestens.
Ja, Piemont war eine Reise wert, auch wenn es etwas weit war. Im nächsten Jahr bleiben wir wieder einmal im Land. Die Vorbereitungen für unsere Weinreise 2017 ins Krems- und Traisental haben schon begonnen…..

Eine Südiroler Speckplatte in Sterzing: Da lacht nicht nur das Herz!

Die richtige Adresse für ein gutes Mittagessen nach zwei Stadt-
führungen: Die Osteria Era Nuova in Alba

Bei der Bestellung war die Welt noch in Ordnung: Mittagessen in
der Osteria More e Macine in La Morra

Time to say Goodbye to Piedmont - Abschiedsabend in der Osteria
del Vicoletto in Alba